China – Teil 3: Sichuan oder „Ni Hao Brenda!“

Der Tag beginnt ausgeruht und mit der Aufregung über ein erstes Treffen. Wir haben Brenda zu uns in die Wohnung eingeladen. Als mein Telefon klingelt, begebe ich mich wie verabredet nach unten auf die Straße. Unser Apartment ist nicht leicht zu finden, denn es liegt in einem Komplex aus älteren Mehrparteienhäusern in einem Hinterhof mit bewachter Toreinfahrt. Auf der anderen Straßenseite sehe ich dann schon ein hippes Mädchen in dicker Teddyfleece-Jacke, das zu mir herüberwinkt. Neben ihr steht Jimmy. Eigentlich haben wir schon fast nicht mehr mit ihm gerechnet, aber gut. Mal sehen, wie lange er uns in den kommenden zwei Tagen in Chengdu begleiten wird. Wir begrüßen uns und ich bringe die beiden zu den anderen, die schon gespannt warten. Nach einem netten Hallo und gegenseitigen Fragen nach dem Wohlbefinden kommt Jimmy noch einmal aus sich heraus und überreicht jedem von uns zum Geschenk die Kalligraphie des jeweiligen Namens. Sie beschreibt neben den Namen lyrisch die jeweiligen Eigenschaften der betreffenden Person. Jimmy hat sich hier wirklich Mühe gegeben und damit ein schon länger angekündigtes Versprechen eingelöst. In Turpan kaufte er von einem Trödler einen Pinsel, den er das erste Mal genau hierfür einsetzen wollte. Wir sind peinlich berührt, denn dies federt natürlich unseren Frust für diesen Moment etwas ab. Wir werden aber auch das Gefühl nicht los, dass dies in Jimmys Kalkül lag. Aber wir sind dennoch sehr dankbar für diese schöne Erinnerung.

Brenda übernimmt daraufhin das Ruder und widmet sich den nächsten Punkten. Unbedingt dazu gehört die Fahrt in die Werkstatt, denn das ist nun bitter nötig. Nicht nur die Franzosen haben eine zerstörte Felge, sowie einen komplett verzogenen Rahmen zu richten. Bei Rafael und uns steht ein Ölwechsel an. Brenda springt bei uns in den Bus und lotst die Truppe zu einer vorab ausgewählten Werkstatt. Jimmy bleibt in der Stadt zurück. Wir kommen in der Werkstatt an und wie immer rotten sich die Leute um die rote Ente herum und begucken sich das exotische Hutschefiedel. Brenda vermittelt schnell alle Bedürfnisse und ist immer zu Stelle, wenn es Fragen gibt. Um es auch richtig zu machen, lässt sie sich das technische Drumherum ebenfalls erklären. Sie stellt sich plietsch an und hält die Mechaniker auf Trab. Die Ente nimmt natürlich am meisten Zeit in Anspruch. Dennoch wird gleich anfangs auch Mushi auf die Hebebühne gebracht, damit ein Ölleck überprüft werden kann, dass wir seit etwa 2 Wochen mit uns herumführen. Sie stellen fest, dass es sich um die Öldichtung der Kurbelwelle handelt und winken ab, denn sie könnten die Arbeit nicht leisten.

So lassen wir die Franzosen erstmal weiter auf ihrem Stahl rumklopfen und gehen mit Brenda etwas essen. Wir finden ein kleines Restaurant und Brenda hat richtig Lust uns das Essen auszusuchen. Gerade als das Essen kommt, wird eine Chinesin am Nachbartisch auf uns aufmerksam. Brenda übersetzt ihre Worte, wir „Amerikaner“ seien herzlich willkommen in China und sie sei eine Sängerin und wolle jetzt erstmal etwas zum Besten geben. 10 Sekunden später schalmeit uns ein schrilles Gequietsche entgegen, dass wir uns um die Fenster des Restaurants und unsere Hörschnecken sorgen. 3-4 Mal scheint sie zum Ende gekommen zu sein, aber sie kennt die ganze Opernarie. Das Essen lacht uns schon vom Teller an, aber auf Essstäbchen und die schrille Dame können wir uns gleichzeitig nicht konzentrieren. Als sie fertig ist applaudieren die Gäste und das Personal, aber wir können nicht feststellen, ob aus Begeisterung oder um einen Schlussstrich zu ziehen. Wir stürzen uns auf das hervorragende Essen. Als wir zurück zur Werkstatt kommen, beschließen Brenda und Rafael noch in eine naheliegende Motorradwerkstatt aufzusuchen, um ein paar Einstellungen am Motor und auch den Ölwechsel vornehmen zu lassen. Wir müssen noch sehr lange auf unser Vollsynthetiköl warten, aber am Ende ist das schnell gemacht. Auch den Ölfilter lassen wir reinigen. Die Franzosen sind wenig gnädig und ziemlich unzufrieden mit den chinesischen Mechanikern, die sich wiederum von diesen vorsichtshalber fernhalten, weil sie die latenten Aggressionen nicht deuten können. Als wir uns auf den Rückweg machen wollen, schwingt Johanna sich bei Rafael hinten aufs Moped und wir düsen zurück ins Apartment.

Abends kochen wir zusammen Kürbis mit anderem Gemüse und Reis und haben einen wirklich supernetten Abend. Brenda bestellt dann noch, als kleinen Willkommenssnack, Entenherzen, Entenköpfe und Hühnerfüße. Dazu gibt es ein Joghurtdrink mit Jellykugeln drin. Echte Herausforderung! Ja, ich bin Vegetarier, aber bei mir gibt es den Grundsatz, dass ich auf Reisen bei einer Einladung eine Ausnahme zulassen kann. Da all diese Köstlichkeiten bei uns in Deutschland zum Abfall zählen, finde ich heute eine Ausnahme zulässig. Letztendlich kann ich mich bei den Hühnerfüßen jedoch nicht überwinden.

Nachdem Brenda heimwärts ist (20 km südlich vom Stadtzentrum – das ist immer noch komplett Stadtbestandteil!), ziehen Rafael, Max und ich nochmal los auf ein paar Wegbier und Erkundung. Johanna und Clement werden von dem gemütlichen Apartment zurückgehalten, auch um die etlichen Medien zu sortieren und sich zuhause zu melden. Wir drei durchstreifen zahlreiche Straßen und versuchen noch auf eines der unglaublich hohen Hochhäuser zu kommen, doch jedes von ihnen ist mit Wachpersonal besetzt und daher unzugänglich. Wovor sich die Chinesen wohl fürchten? Wir haben jedenfalls das Gefühl uns in einem der sichersten Länder dieses Planeten zu befinden. Angeduselt von ein paar Wegbieren landen wir spät im Bett. Den nächsten Tag bestreiten wir größtenteils von der Wohnung aus. Wir telefonieren viel, essen Kuchen, schreiben Blogeinträge und bereiten uns auf ein Gespräch mit Brenda über die bisherige Reise vor. Sie kommt nachmittags vorbei und wir konfrontieren sie mit unserer Unzufriedenheit über Jimmy und dass wir für die ärgerlichen Umstände Kompensation von der Agentur erwarten. Kein schönes Thema, aber dennoch wollen wir es lieber anfangs als spät anbringen. Wir einigen uns zusammen, das Thema später noch mit Shang, ihrem Chef, zu besprechen, aber sie nimmt die Kritik erfreulicherweise gut entgegen und zeigt Verständnis.

Danach freuen uns auf den Abend. Brenda lädt uns nämlich zum Hotpot ein. Was dem Klang nach auch ein heißer Zuber sein könnte, ist eigentlich ein riesiger Bottich mit Fett, in den wir tausend Köstlichkeiten frittieren lassen. Quasi Fondue, aber Ambiente und Zutaten sind ganz anders. Richtig gut und wir hätten noch ewig weitermachen können, wenn wir nicht auch noch in die chinesische Oper eingeladen wären, die zum Glück direkt neben dem Restaurant liegt. Brenda selbst verabschiedet sich allerdings vor der Oper, denn sie hat noch ihre Sachen zu packen, da es morgen mit der Reise weitergehen soll. Die Oper ist weit besser als erwartet. Es gleicht mehr einem Varieté mit zahlreichen künstlerischen, artistischen, komödiantischen und musikalischen Darbietungen. Am Ende dürfen wir noch eine Massage vorn neben der Bühne genießen. Ein rundum entspannter Tag!

Am kommenden Morgen brechen wir auf, um zuerst Brenda bei sich zuhause einzusammeln. Da sie quasi direkt entlang der Route wohnt, wollen wir sie nicht noch extra die 20 km entgegen der Richtung pendeln lassen. Es braucht ein paar Anläufe, da wir feststellen, dass die Georeferenzierung von Google Maps hier in China nicht ganz stimmt, aber wir finden sie zum Glück. Mit Brenda und ihrem Koffer brechen wir auf nach Leshan.

Bei Leshan erwartet den Besucher das beeindruckende Monument eines sitzenden Buddhas, der über die Stadt wacht und die Einwohner beschützt vor den Hochwassern der Vereinigung der Flüsse Minjiang und Dadu. Es ist das weltweit größte Buddha-Standbild aus Stein. Wir gehen zum Ticketschalter und bereiten wieder unsere Krankenkassenkarten für den „Studententrick“ vor, doch Brenda schmunzelt, geht voran und besorgt uns den halben Preis, ohne dass ein Blick auf unsere Karten notwendig wäre. Okay, die macht einfach! Wir gehen den Aufstieg an, Brenda voran. Sie weiß ein paar interessante Infos, macht aber keinen Hehl daraus, dass sie für manche Fragen auch mal fix in ihr iPhone gucken muss – ehrlicher Pragmatismus! Bevor wir an den Buddha herandürfen, schickt sie uns erstmal in die Tempelanlage auf dem Berg. Alles ist auf Hochglanz gebracht und sichtlich auf starken Tourismus ausgelegt. Auch heute sind hunderte Besucher um uns herum, mit denen wir wenig später die Runde um den Buddha herumlaufen. Der Weg führt uns hinunter zu den gigantischen Füßen der Statue, wo die Perspektive einen selbst winzig erscheinen lässt. Wir erfahren, dass die Anfänge dieses Standbildes im Jahr 713 von einem einzigen Mönch namens Haitong gemacht wurden und die Fertigstellung 90 Jahre später durch dessen Schüler erreicht wurde. Die Ausmaße der Statue: 71 m Höhe und 28 m Breite. Eine schier unfassbare Leistung!

Als wir wieder bei den Fahrzeugen ankommen machen wir uns auf gen Nordwesten, um morgen in Richtung Litang weiterzufahren. Brenda weist uns darauf hin, dass es heute schwierig sein wird einen Stellplatz zu finden, da quasi die komplette Region für die landwirtschaftliche Nutzung unter Wasser steht. Sie lässt aber keinen Zweifel daran, dass wir sicherlich etwas finden werden und zur Not die Bauern bitten bei ihnen auf dem Hof aufschlagen zu können. Als wir schon eine gute halbe Stunde suchen, bricht die Dunkelheit herein. Wir fahren gerade durch ein Dorf und ich bremse, um zu besprechen, was wir am besten tun sollten. Brenda springt einfach auf und geht stracks zu dem nächsten Haus, vor dem ein Betonplatz sich als Stellfläche anbietet. Sie klingelt, spricht kurz mit der Frau, die geöffnet hat, und schon sind wir eingeladen nach hinten zum Innenhof zu kommen, um dort zu übernachten. Erst ist es uns ein wenig unangenehm, dass wir uns so unvermittelt aufdrängen, doch merken wir nach einer kurzen Vorstellungsrunde schnell, dass sich die Familie sehr über den Besuch freut. Während wir unsere Betten aufbauen, richten die Gastgeber eine kleine Tafel im Innenhof ein und wir sind zum Essen eingeladen. Ein riesiges Mahl aus vielen Köstlichkeiten wird aufgetischt und dazu kommt Bier und Schnaps, den der Großvater der Familie wohl selbst angesetzt hat. Auf jedes „Ganbei“ musste angestoßen und getrunken werden, sodass wir nach gut einer Stunde nicht nur vollgefressen, sondern auch recht dun sind. Johanna und ich singen noch ein paar Lieder, ich schrammel dazu auf der Gitalele und malträtiere die Nasenflöte und zum Schluss blödeln wir noch mit den Kindern bis sie müde und bettfertig sind. Die beiden Brüder haben sich auch schon ins Zelt verkrochen und wir labern noch mit Rafael und Brenda bis spät in den Abend hinein. Wenige Stunden zuvor hat Brenda uns noch zur Aufgabe gegeben über die Reise hinweg herauszufinden, was an ihr nicht „real“ sei. Wir haben die vergangenen Stunden alle ein wenig überlegt, aber Brenda kann es nun doch nicht mehr zurückhalten und weiht uns jetzt ein, dass ihr Pony „fake“ ist. Sie klippt das Haarteil ab, zeigt ihr wahres Gesicht und schon probieren wir uns an dem Ding aus. Den Brüdern sollen wir nichts sagen, die sollten es selbst herausfinden. Sie werden es auch am letzten Tag des Trips nicht bemerkt haben. Am Ende eines klasse Abends fallen wir müde auf unsere Matten.

Nach einem verkaterten Erwachen und einem herzlichen Abschied fahren wir nun westwärts in Richtung Litang. Brenda organisiert uns mittags eine vorzügliche Nudelsuppe, bevor uns die Straße so richtig in die Höhe befördert. Auf den eigenen Wunsch hin fahren uns die Franzosen von nun an hinterher, also ist unsere Gruppe kleiner und unkomplizierter zu händeln. Zusammen mit Brendas Gesprächigkeit und Navigationskenntnis fahren wir nun also sorglos und federleicht über die ersten Passstraßen. Kurz hinter Qiaoqixiang erreichen wir einen Pass von ca. 3.600 m Höhe und durchbrechen das erste Mal auf unserer Reise die Wolkendecke. Rafael hat auf dieser Strecke die Spitze übernommen, da er sich den Spaß auf solchen kurvigen Straßen mit seinem Motorrad zu fahren von Mushis gemütlichen Fahrstil definitiv nicht nehmen lassen kann. Wir sehen ihn also wieder, nachdem wir einige hundert Meter Blindfahrt hinter uns haben, steigen aus und genießen den fantastischen Anblick. Die Wolken hüllen uns wenig später wieder ein und wir fahren weiter, den Pass noch ein Stück hinauf, um sich das Erlebnis wiederholen zu lassen. Diesmal bereitet Johanna die Drohne vor und lässt sie in die offene Weite vor uns entfliegen. Sie wird uns diesen unvergesslichen Anblick noch aus ganz anderen Blickwinkeln konservieren. Am Gipfel angekommen erwartet uns zum Zeichen der chinesischen Territorialherrschaft ein großes Mahnmal der chinesischen Flagge. Natürlich wird davor ein Foto von Mushi fällig, doch die paar chinesischen Touris, die ebenfalls dort sind, fordern uns auf den Blick auf den Haufen Zement freizumachen, um ihrerseits ein möglichst reines Foto von ihrem nationalen Stuss zu machen. Worauf Menschen stolz sein können…

Wir fahren schleunig weiter, denn das langsame Vorankommen hat uns Zeit gekostet und wir merken das Tageslicht wieder schwinden. Hier oben wollen wir die Nacht definitiv nicht verbringen und so peilen wir die nächstmögliche Stelle im Tal weiter unten an. Als wir einen Kiesplatz hinter einem kleinen Hügel entlang der Straße finden, ist es bereits dunkel. Wir schlagen unser Lager auf, sammeln Feuerholz am entlangfließenden Fluss und machen uns ein wärmendes Feuer.

Heute peilen wir Zhongluxiang an, ein kleines tibetisches Bergdorf nördlich der Verbindungsstrecke zwischen Chengdu und Litang. Brenda verspricht ein schönes Erlebnis, da dieser Ort noch recht unberührt vom Tourismus sei und sie ein nettes Guesthouse kennt, bei welchem wir auch auf dem Parkplatz nächtigen können. Zudem sei der Ort gespickt von tibetischen Wachtürmen, die beeindruckend und sehenswert seien. Unser Weg dorthin führt über eine kleine Gebirgsstraße, die sich durch malerische Landschaft schlängelt. Die Straße ist bisweilen in ziemlich schlechtem Zustand, doch, da sich die Gruppe wieder getrennt hat, kommen wir wieder gut voran und wir beschließen in dem größeren Nachbarort Rongzhag noch etwas zu essen. Brenda prophezeit einen steilen Anstieg zum Dorf, doch, als wir wenig später die Serpentinen gemeistert haben, sehen wir, dass auch die Brüder den Weg mit der Ente gemeistert haben – Chapeau! Der Weg ins Dorf ist etwas schwer zu finden und führt schmal und in engen Kurven an Hauswänden und dichtstehenden Bäumen vorbei, ehe wir durch ein Tor auf den Hof des traditionellen Baus der Herberge fahren.

Und Brenda hat nicht zu viel versprochen! Als wir auf der Dachterrasse der Herberge stehen, fallen uns zahlreiche Steintürme auf, die über den Ort verstreut in die Höhe ragen. Der altertümliche Ort liegt vor uns eingefasst von einer hinreißenden Gebirgskulisse. Brenda regelt uns gleich eine Besichtigung eines der Türme, die meist im Privatbesitz einzelner Familien sind. Wir werden abgeholt von einem mittelalten Mann, dem unser Guide nicht unbekannt ist. Er kennt das Verfahren also und freut sich uns zu sich nach Hause zu führen. Wir fahren noch ein weites Stück den Hang hinauf und halten in einer Kurve unter einem alten Baum, wo wir aussteigen, um das letzte Stück zu Fuß auf uns zu nehmen. Wir gehen über einen Fußpfad zwischen ein paar Feldern entlang, hinauf auf einen leicht bewaldeten Hügel und kommen an der Steinmauer an, die um das Grundstück seiner Familie führt. Zwischen ein paar Birnenbäumen ragt der stattliche Turm empor, der über eine abenteuerliche Treppe zu betreten ist. Ich stecke ein paar Birnen ein und alle steigen hinauf. Die einzelnen sieben Ebenen sind über einfache Balken zu besteigen, in die Stufen wie Kerben eingeschlagen wurden. Der Turm ist schon an die 1000 Jahre alt und steht nur anhand der Seitenmauern – es gibt keine inneren Stützwände. Die Ebenen sind aus Holz gefertigt und in der Außenmauer befestigt. Es ist stockfinster. Oben abgekommen eröffnet sich uns ein einmaliger Anblick. Von hier können wir jeden Winkel und jede Senke der Umgebung einsehen. Ein wirklich gut gewählter Ort für diesen Zweck.

Der Aufstieg ist anstrengend gewesen und alle offensichtlich durstig. Zum Glück habe ich zwei Birnen dabei und wir sind glücklich darüber, als wir merken wie unfassbar saftig die Dinger sind. Noch nie habe ich so ein saftiges Stück Obst gegessen. Später werden wir noch ins Haus der Familie eingeladen, um uns das Dach anzuschauen, auf dem Mais für das Vieh getrocknet wird. Wir kaufen der Familie noch einige Kilos der leckeren Birnen ab, bedanken uns für dieses Erlebnis und machen uns wieder auf zur Herberge. Brenda lässt sich gern zurückfahren, der Rest möchte jedoch durch das herbstlich anmutende Dorf zurückschlendern. Wir merken, dass die Brüder planen außerhalb des Herbergsgeländes zu schlafen, um auch die paar Euro für die Nutzung der Bäder zu sparen. Im Vorbeigehen halten sie bei einem Bauern, der Steine verlädt und teilen uns mit, dass sie helfen wollen, offenbar in der Erwartung, dass sie auf seinem Land im Gegenzug zelten können. Wir gehen zu dritt weiter, einen kleinen Pfad hinab und treffen noch ein paar Chinesen, die hier zu Urlaub sind, die Abgeschiedenheit genießen und ihre Fotoausrüstung ausprobieren wollen. Als wir an unserer Herberge vorbeigehen, schließt Brenda sich uns wieder an, um mit uns das Kloster weiter hinten im Ort zu besichtigen. Der Platz vor dem Kloster ist einer der wenigen geraden Flächen im Ort und wird neben PKW-Flächen auch als Basketballplatz für die Youngster im Ort genutzt. Das Kloster selbst wirkt verschlafen, ist aber von Mönchen bewohnt, die den idyllischen Garten im Innenhof hegen und pflegen. Hier ist es beschaulich schön und für den Moment unseres Besuchs verspüren wir tiefe Ruhe. In herrlicher Abendstimmung treten wir den Rückweg an, als ein junger Typ mit seinem Hund bei Fuß und ein paar Bier unterm Arm an uns vorbeigeht und lachen muss, als wir ihm mit „Tashi deleg“ grüßen. Kurzerhand lädt er uns ein mit ihm mitzukommen. Wir lassen uns darauf ein und folgen ihm und seinem fidelen Hund zu einem herrschaftlichen tibetischen Haus, das gerade Renovierungsarbeiten unterzogen wird. Außerdem ist nebenbei ein Rohbau zu sehen, der wirkt, als ob dort einmal etwas Gastronomisches einziehen soll. Er erzählt uns, dass er dabei ist ein Hostel herzurichten und führt uns herum. Wir merken, dass er wirklich weiß, was er tut. Die Aufteilung und Herrichtung sind durchdacht und liebevoll. Auch den Neubau besichtigen wir und in etwas brüchigem Englisch erzählt er uns, dass er vorhat zwei Apartments in den Hang eingelassenen Bau herzurichten, in deren Decke ein von oberhalb zugängliches Wasserbecken eingelassen werden soll. Nebenan wird ein Restaurant mit Bar errichtet, vor dem eine Terrasse mit fantastischem Blick liegt. Vor uns liegt also der erste große Schritt zum Ausbau des Tourismus. Der junge Typ selbst kommt übrigens nicht von hier, sondern, wie Brenda, aus Chengdu, und hat bereits Erfahrung mit dem Gewerbe, denn seine Familie betreibt bereits 3 weitere Hostels.

Er lädt uns ein auf das Dach des alten Nachbarhauses zu kommen. Hier hat er sich eingemietet und für die Zeit des Umbaus geschmackvoll ein offenes (aber teilüberdachtes) Wohnzimmer eingerichtet, sowie ein Schlafzimmer, das aus einem Zelt unter einem Schleppdach liegt. Alles ist schön dekoriert und beeindruckt uns. Er schmeißt seinen Beamer an, um Musikvideos abzuspielen und lädt zum Schnaps ein. Als wir Clement und Max entdecken, wie sie durch den Ort irren und scheinbar weiter nach einem Schlafplatz suchen, rufen wir sie zu uns und haben eine ausgelassene Runde. Später werden wir zwei Flaschen Schnaps geleert haben – einen hiesigen Kräuterschnaps und eine Flasche Jägermeister. Weil er uns im Vorweg gesagt hat, dass wir ihm Geld für den wertvollen deutschen Schnaps geben müssten, sollten wir die ganze Flasche killen, kratzen wir geistesgegenwärtig die Schnapsglasreste zusammen und kippen sie zurück in die Pulle, bevor wir gehen. Leer ist sie nun faktisch nicht und unser Gastgeber kriegt eh nichts mehr mit, sondern tanzt mit seinem geliebten Hund zur Musik, nachdem er sich über die Balustrade hinweg übergeben hat. Witziger Abend!

Angetrunken lassen wir Clement und Max auf dem Platz vor dem Kloster zurück, auf dem sie ihr Zelt aufschlagen wollen. Rafael, Johanna und ich kommen bei Mushi an und bauen erstmal die Küche auf, um uns noch ein fulminantes Nachtmahl zu kochen. Wie wir am kommenden Morgen feststellen werden, haben wir dabei eine riesige Sauerei in dem Gartenpavillon der Herberge angerichtet. Eigentlich wollten wir die Nacht auf dem Dach des Hauses verbringen, doch sind wir jetzt einfach zu kaputt und schlafen wie gehabt im Bus und Rafael hat noch nicht einmal die Ambition sein Zelt aufzubauen, sondern packt sich einfach so mit Schlafsack und Isomatte auf den Hofplatz. Na, dann gute Nacht.

Murphy’s Gesetz: ist es die letzten Wochen grundsätzlich furztrocken gewesen, hat es letzte Nacht plötzlich angefangen zu regnen. Nur für einen etwas längeren Schauer zwar, jedoch war es ausreichen, um Rafael davon zu überzeugen doch noch sein Zelt aufzustellen. Nach dem Aufstehen stellen wir fest, dass Rafaels iPhone in der Nacht auf dem Parkplatz den Abgang gemacht hat und der Glasrücken nun kunstvoll gebrochen ist. Guten Morgen! Wir raffen uns zusammen und beschließen, leicht verkatert, nun noch bei der tibetischen Hochzeit vorbeizuschauen, die, wie wir gestern erfahren haben, heute im Ort stattfinden soll. Kurz nachdem wir uns aufgemacht haben merken wir, dass es sich um eine Großveranstaltung handeln muss, denn einige Autos bewegen sich nach oben ins Dorf. Es gibt einen Parkeinweiser, den man gut mit einem Zuhälter verwechseln konnte, doch dann steigt vor uns eine Familie aus ihrem Auto, deren Oberhaupt dann der Chef des Parkeinweisers hätte sein müssen. Festliche Kleidung wird hier also anders verstanden. Die beiden Franzosen sind schon hier, wollen aber nicht mit zur Festgesellschaft stoßen, da sie die Privatsphäre nicht stören wollten. Wir vermuten eher, dass es an den seit Monaten nicht gewaschenen Klamotten liegt, denn auch wir fühlen uns ein wenig underdressed. Aber dennoch schließen wir uns der Festgesellschaft an und folgen dem Strom zum Haus der feiernden Familie.

Es ist offensichtlich, dass es keine geschlossene Gesellschaft ist, sondern die ganze Umgebung eingeladen ist vorbeizukommen. Wir sind erleichtert, obwohl wir auch gestern schon von der Familie mit dem Wachturm zu dem Fest eingeladen worden sind. Beim Betreten werden den Gästen zur Begrüßung Schnaps, Süßigkeiten und Zigaretten angeboten.  Zentrum der Feier ist eine Bühne, auf der das Hochzeitspaar stundenlang steht, um sich der Gemeinschaft zu zeigen, dem unermüdlich sabbelnden Redner zuzuhören und sich später von den Gästen hunderte Tücher um die Hälse hängen zu lassen. Nebenbei läuft eine offene Großküche, in der für alle Gäste köstliche Mahlzeiten zubereitet werden. Nebenbei gibt es, etwas abgeschieden, noch eine Laube, unter der die alten Herren sitzen, sich den gesellschaftlichen Verpflichtungen entziehen, klöönen, spielen und Schnaps trinken. Jungs, falls ihr das zuhause lest: so will ich mit euch auf unsere alten Tage enden!

Johanna hat sich für dieses Fest vorgenommen ein paar schöne Aufnahmen zu machen und legt sich ordentlich ins Zeug. Ich versuche ihr zu helfen, habe aber selbst Schwierigkeiten den Fokus darauf zu legen hin und wieder mit der GoPro zu filmen. Johanna ist auf jeden Fall voll in ihrem Metier und ihre Aufnahmen sind schon echt der Hammer!

Unser weiterer Weg führt uns erstmal wieder nach Rongzhag, wo wir im gleichen Restaurant wie tags zuvor essen – diesmal alle zusammen.

Gestärkt kurven wir weiter durch die Berge Sichuans, erleben tolle Passstraßen, beeindruckende Ausblicke und den rauen Charme der Steinwelt um uns herum. Es ist wieder mühsam Strecke zu machen, doch wir haben das Ziel vor Augen: die Klosteranlage von Jiagulong.

4 Kommentare bei „China – Teil 3: Sichuan oder „Ni Hao Brenda!““

  1. Moin ihr beiden
    Es ist sehr interressant euch zu bekleiten auch wenn es nur von zuhause ist. Edlich eine gute Begleitung mit Brenda gefunden. SUPER
    Wann kommt die nächste Folge????
    Grüße aus Hütten
    Thomas Dürotin

  2. Britta schumacher sagt: Antworten

    Ihr Lieben, begierig warte ich auf neue Reisebericht und Bilder. Juhu, etwas neues von euch! Schoen zu hören, welche Neugier und Gastfreundschaft, euch entgegengebracht wird. (waren wir auch so) freuen uns ueber viele weiter Erfahrungen und Bilder, die wir mit euch teilen dürfen! Gutes gelingen weiterhin.

  3. Klaus Borcherding sagt: Antworten

    Moin ihr beiden,
    nun hänge ich tüchtig zurück mit dem Kommentarschreiben. Als ich das letzte mal versucht habe einen zu senden hat es irgendwie nicht geklappt.
    Toll, dass ihr jetzt eine Begleiterin habt, die besser zu euch und euren Wünschen passt.
    Was bekommt ihr eigentlich so zum Thema Corona-Virus im Land mit? Ist das alles topsecret?Hat es Auswirkungen auf eure Reisepläne?
    Hier in Deutschland laufen aktuell komische Sachen und meistens schlimme Sachen. Aktuell ist Schleswig-Holstein noch fast so etwas wie die Insel der Glückseligen – keine Anschläge, keine komischen landespolitischen Schiebereien und darüber hinaus total verlässlich richtiges Sch….wetter, aber richtig.
    Lasst es euch gut gehen bis zum nächsten mal…

    1. Lieber Klaus,
      auch wir hängen mit unseren Beiträge tüchtig zurück: auf dem Blog sind wir noch in China und in der Realität sind wir bereits im Nordosten Indiens angekommen. Die Virus-Panik ist mittlerweile auch hier angekommen. Gerade haben wir dazu etwas ausführlicher einen neuen Blogeintrag geschrieben.
      Wir hoffen, dass sich die Situation bald beruhigt. Gerade wurde wir vom bunten Farbenfest Holi überrascht, eine tolle Abwechslung. 🙂

      Liebe Grüße nach Flensburg und auf bald, Malte und Johanna

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